Der Coriolisbrunnen
Der Coriolisbrunnen ist ein Experiment, mit dem die Wirkung einer speziellen Form einer Trägheitskraft, der sogenannten Corioliskraft, demonstriert werden kann. Sie wird auch mitunter als eine Scheinkraft bezeichnet.
Der Coriolisbrunnen ist ein Experiment, mit dem die Wirkung einer speziellen Form einer Trägheitskraft, der sogenannten Corioliskraft, demonstriert werden kann. Sie wird auch mitunter als eine Scheinkraft bezeichnet.
Diese Corioliskraft wirkt auf jeden Körper, dessen Bewegung von einem rotierenden Bezugssystem aus beobachtet wird. Erstmalig wurde sie im Jahre 1835 durch den französischen Mathematiker Gaspard Gustave de Coriolis mathematisch beschrieben. Der Coriolisbrunnen im ERLEBNISLAND MATHEMATIK erhielt deshalb seinen Namen, weil man mittels geeignet erzeugter Wasserstrahlen den Corioliseffekt durch Drehungen sichtbar machen kann. Bei Drehungen des Coriolisbrunnens beobachtet man folgende Phänomene: Die aus den in der Mitte liegenden Düsen austretenden Wasserstrahlen (in Richtung des Randes) „biegen“ sich scheinbar entgegen der Richtung der Drehbewegung. Und die aus den am Rande liegenden Düsen austretenden Wasserstrahlen „biegen“ sich scheinbar in Richtung der Drehbewegung. Beide Effekte nehmen bei größerer Winkelgeschwindigkeit der Scheibe zu, d.h. je schneller diese durch einen Experimentator gedreht wird. Treffen sich die Wasserstrahlen der Düsen aus der Mitte mit denen vom Rand, werden in diesem Moment die Strahlen mit blauem Licht angestrahlt. Dieses Phänomen der sich „biegenden“ Wasserstrahlen ist mittels des folgenden gedanklichen Experiments erklärbar: Man stelle sich vor, die Düsen würden keinen kontinuierlichen Wasserstrahl abgeben, sondern in „rascher“ Folge kleine Kugeln (oder einzelne Wassertröpfchen) ausstoßen. Die Geschwindigkeit der Kugeln sei diejenige des Wasserstrahls. Die Bahnen der gedanklich aneinander gereihten Kugeln kann man als Diskretisierungen der aus den Düsen austretenden Wasserstrahlen auffassen. Es genügt folglich, die Bahn einer einzelnen Kugel zu analysieren.
Angenommen, eine Kreisscheibe rotiert mit der konstanten (vektoriellen) Winkelgeschwindigkeit , die — als Vektor — senkrecht auf der Drehebene steht. Wird nun vom Zentrum der sich drehenden Scheibe aus eine Kugel mit der konstanten (vektoriellen) Geschwindigkeit ausgestoßen, dann erhält man unter Verwendung eines Systems in Zylinderkoordinaten und der zugehörigen Einheitsvektoren (siehe nachfolgende Abbildung 2)
für die Corioliskraft die folgende Formel:
Hierbei bezeichnet die Masse der Kugel und für die Bestimmung der Richtung des sogenannten Kreuz– oder Vektorprodukts zweier Vektoren und gilt die Dreifingerregel an der rechten Hand (vgl. nachstehende Abbildung 3):
Wir werden dies im Folgenden herleiten: Woher kommt also die obige Gleichung für die Corioliskraft? Nehmen wir an, wir stehen als Beobachter im Zentrum der sich gegen den Uhrzeigersinn drehenden Scheibe und verfolgen die soeben von dort in radialer Richtung ausgestoßene Kugel. Ohne Rotation (und damit Corioliskraft) würde diese einfach gerade nach außen streben (d.h. sie bewegt sich in der Zeit um die Strecke entlang des Radius). Nun dreht sich aber die Scheibe, nachdem die Kugel ausgestoßen wurde, unter dieser „nach links“ weiter (und beeinflusst sie dabei nicht mehr). Für den rotierenden Beobachter entsteht dabei der Eindruck, dass die Kugel „nach rechts“ strebt (und zwar in der Zeit um die Strecke ; vgl. obige Abbildung 2). Dies entspricht genau einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung nach rechts, mit der konstanten Coriolisbeschleunigung . Daher scheint es dem Beobachter, als wirke eine Kraft gemäß der obigen Formel auf die besagte Kugel.
1. Alle Bewegungen auf der Erde sind der Corioliskraft (entlang des Äquators minimal!) ausgesetzt, da die Erde sich um ihre eigene Achse dreht und damit ein rotierendes Bezugssystem darstellt. Allerdings spielt die Corioliskraft (aufgrund der relativ geringen näherungsweisen Winkelgeschwindigkeit der Erde von 360°/24h) nur dort eine Rolle, wo großräumige Bewegungen auftreten. So unterspülen Flüsse auf der Nordhalbkugel mehr das rechte, auf der Südhalbkugel mehr das linke Ufer (in Strömungsrichtung).
2. Die Corioliskraft ist dafür „verantwortlich“, dass sich Luftmassen um großräumige Hochdruckgebiete auf der Nordhalbkugel der Erde im Uhrzeigersinn, aber Tiefdruckgebiete entgegengesetzt bewegen. So bewegt sich die Luft bei einem Tiefdruckgebiet wegen des Druckgefälles nach innen. Diese Strömung wird auf der Nordhalbkugel durch die Corioliskraft nach rechts abgelenkt. Daraus resultiert eine gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Drehbewegung.
3. Beim Foucaultschen Pendel (als Exponat im ERLEBNISLAND MATHEMATIK beobachtbar) spielt die Corioliskraft eine wesentliche Rolle. Die Schwingungsebene des Pendels bewegt sich nur scheinbar. Tatsächlich behält sie ihre Richtung bei, während man auf der Erdkugel das Pendel „umkreist“.
4. Im Schienenverkehr führt die Corioliskraft auf der Nordhalbkugel dazu, dass bei geraden Strecken diejenige Schiene, die in Fahrtrichtung rechts liegt, geringfügig stärker belastet wird als die linke Schiene. Ein Zug (z.B. ein ICE 3 mit 400t Masse), der bei einer geografischen Breite von 51° nördlich (z.B. Köln) mit einer Geschwindigkeit von 250km/h fährt, erfährt eine Kraft von 3.200N (Newton) nach rechts. Dies entspricht ca. 0.1% der Gewichtskraft. Hat der Zug z.B. acht Wagen mit je vier Achsen, wird jedes rechte Rad mit einer Corioliskraft von ca. 100N (Newton) nach rechts gegen die Schiene gedrückt. Im Vergleich dazu ergibt sich bei dieser Geschwindigkeit bei einem Kurvenradius von 3.000m auf jedes Rad eine seitliche Kraft von 20.000N, also der 200-fache Wert gegenüber der Corioliskraft.
[1] Körner, W.: Physik — Fundament der Technik, 10. Auflage, Leipzig, 1989.
[2] Lindner, H.: Lehrbuch der Physik, 12. Auflage, Leipzig, 1989.
[3] Stommel, H.M. und Moore, D.W.: An introduction to the Coriolis force, New York, 1989.